Risikosportart Klettern

Sichern muss gelernt & trainiert werden!
Die Ursache von Verletzungen bei Sportkletterstürzen sind meist Sicherungsfehler; nicht das Sicherungsgerät ist also das Problem, sondern der handelnde Mensch.

Klettern ist uns Menschen in die Wiege gelegt. Viele Kletterinteressierte kommen heutzutage erstmalig in Kletterhallen mit diesem Sport in Kontakt. In Österreich ist der Zugang zu Kletterhallen niederschwellig: Zumeist reicht es, ein Formular auszufüllen und die Hallenordnung zu akzeptieren, und schon kann es losgehen. Das Klettern in der Natur am natürlichen Fels unterliegt – abgesehen von naturschutz- oder privatrechtlichen Ausnahmen – keinen Einschränkungen. Klettern ist jedoch eine komplexe Risikosportart und setzt ein gewisses Maß an Wissen und Können sowie große Eigenverantwortung  voraus.

 

Auch ein Blick über unsere Grenzen hinaus zeigt, dass im Bemühen um mehr Sicherheit im Sportklettern unterschiedliche Strategien angewendet werden. Wichtigste Erkenntnis aus allen Diskussionsbeiträgen ist, dass das Sichern erlernt und trainiert werden muss. Wir plädieren in diesem Sinne für einen bewussten Umgang mit den Anforderungen an Kletterer und Sicherer. Je nach ausgeübter Spielform des Kletterns variieren diese stark. Das Sichern des kletternden Seilpartners gehört jedoch zu den Grundfertigkeiten des Kletterhandwerks, und das Beherrschen dieser Techniken erfordert Ausbildung und spezifisches Training.

 

Sicherungstechniken & -routinen im Wandel

Wer an verschiedenen Orten im In- und Ausland klettert, trifft auf unterschiedliche Standards sowie Sicherungstechniken und -routinen, die einem stetigen Wandel unterliegen. Die ältere Generation der (Sport-)Kletterinnen und Kletterer hat vielleicht noch ohne Sicherungsgerät mit der Schultersicherung begonnen und kennt die Sticht-Platten der 1970er-Jahre. Weitere Entwicklungen waren die Halbmastwurfsicherung (HMS), die im alpinen Gelände auch heute noch ihre Berechtigung hat, der Abseil-Achter und die Sicherungsgeräte nach dem Tube-Prinzip. Zuletzt kamen die Autotubes und halbautomatischen Sicherungsgeräte. Die letztgenannte Gruppe wurde viele Jahre vom Grigri dominiert; in der jüngsten Vergangenheit sind zahlreiche Neuheiten auf den Markt gekommen. Praktisch jeder Hersteller hat ein eigenes Gerät im Angebot: Smart, Click Up, Mega Jul, Ergo, Matik, Flash, Fish etc.

 

Partnercheck

Diese Entwicklungen in der Sicherungstechnik haben das moderne Sportklettern in der aktuellen Ausprägung erst ermöglicht. Neue Sicherheitsroutinen wie der Partnercheck fördern Risikobewusstsein und Aufmerksamkeit der Kletterinnen und Kletterer. Mit dem heute als Standard etablierten Partnercheck lassen sich sehr einfach grundlegende Fehler vermeiden.

 

Sicherungstraining

Viele werden sich noch an ihr erstes Klettererlebnis erinnern. Möglicherweise war dies ein Sprung ins kalte Wasser, der heute als fahrlässig bezeichnet werden könnte: Man erhielt ein Sicherungsgerät in die Hand gedrückt und sollte damit sichern.

 

Heute gilt als Grundlage, dass mögliche Ereignisse vor der selbständigen, eigenverantwortlichen Ausführung trainiert werden müssen. Wer noch nie das Halten eines Sturzes geübt hat, sollte nicht alleine sichern. Allen Einsteigerinnen und Einsteigern ist ein Sicherungstraining dringendst anzuraten. In Kursen wird in Dreiergruppen gearbeitet. Die Sicherungsneulinge werden für eine bestimmte Zeit von einer zweiten Person (Backup-Sicherung) unterstützt und können somit im risikoarmen Rahmen Übungsaufgaben erledigen und Sicherungspraxis sammeln.

 

Die Sicherungsbewegung stellt so manchen vor koordinative Probleme. Das Ausbildungsteam der Naturfreunde empfiehlt aus methodisch-didaktischen Gründen die ersten Sicherungshandgriffe mit dem Tuber zu zeigen und zu erlernen.

 

Die Vorteile im Kursbetrieb sind:

  • Die relevanten Handgriffe lassen sich perfekt demonstrieren und ausprobieren, da das Seil sehr leicht durch den Tuber läuft.
  • Die Bedeutung des Bremshandprinzips kann am Tuber nachvollziehbar geschult werden.
  • Die auf Sicherungsgerät und Kletterer wirkenden Kräfte sind beim Tuber deutlich spürbar.
  • Die Wichtigkeit des „aufmerksamen Sicherns“ kann am Tuber nachhaltig vermittelt werden.
  • Bei der Anfängerschulung soll besonderes Augenmerk auf den Transfer der Sicherungshandlung auf das Sichern mit anderen handelsüblichen Geräten (Autotubes und Halbautomaten) gelegt werden.

Alle diese Übungen der Anfängerschulung müssen unbedingt mit Backup-Sicherung (die zweite Sicherungsperson hält zusätzlich das Sicherungsseil) durchgeführt werden.

Nach der Schulung der Sicherungsgrundlagen empfehlen die Naturfreunde eine an Ausbildungsstand, Alter, Gewicht, Erfahrung und Zweck (Disziplin) angepasste Wahl des Gerätes, damit umgehend das Sichern mit Autotubes und Halbautomaten gelehrt werden kann.

Beim Umstieg vom Top-Rope- auf das Vorstiegs- oder Leadsichern ist auf alle Fälle ein dynamisches Sicherungstraining (mit Backup-Sicherung) zu absolvieren. Nur so kann man die Dynamik eines Sturzes kennenlernen bzw. spüren und die richtigen Verhaltensweisen lernen und trainieren.

 

Sicherungsgeräte im Vergleich

Ein wesentlicher Teil der Debatte über mehr Sicherheit im Sportklettern war in den letzten Jahren die Frage der Wahl des Sicherungsgerätes. „Mit einem Tuber lässt es sich zwar gut dynamisch sichern, sein Nachteil ist jedoch offensichtlich: Wird die Sicherungskette belastet und das Bremsseil nicht gehalten, ist ein Bodensturz sehr wahrscheinlich“, wird richtigerweise immer wieder angeführt.

Der Vorteil der Autotubes oder der halbautomatischen Geräte ist, dass das Eintreten dieser fatalen Konsequenz durch Blockieren oder starkes Abbremsen des Seils unwahrscheinlicher ist.

Das Ausbildungsteam und die Instruktorinnen/Instruktoren der Naturfreunde werden nun immer wieder gefragt, ob der Tuber jetzt verboten ist. Aus der Sicht der Naturfreunde ist es nicht verboten, mit dem Tuber zu sichern. Es gibt jedoch klare Empfehlungen, für welche Anwendungszwecke, Situationen und Personen wir dieses Sicherungsgerät empfehlen.

 

Weitere Infos hier >

 

Wichtig ist, dass man weiß, dass das Verwenden eines Halbautomaten keine Sicherheitsgarantie ist. Die meisten Unfälle passieren nämlich aufgrund von Bedienungs- bzw. Sicherungsfehlern.

 

Bremshandprinzip

In Einsteiger-Kursen ist zu beobachten, dass die sofortige Verwendung eines halbautomatischen Sicherungsgeräts zu einer unsauberen Handhabung des Bremsseils führt: Die Bremshand wird nicht eindeutig und bewusst nach unten geführt. Da die exakte Handhabung bei allen Geräten (außer bei HMS und Grigri) absolut risikorelevant ist, wäre es ein Versäumnis, dies nicht intensiv zu trainieren.

Ein mögliches Szenario im Falle eines Verbotes der Tube-Sicherung:

Die ausschließlichen „Halbautomaten-Sicherer“ machen sich auf den Weg ins (Mittel-)Gebirge zum alpinen Sportklettern in Mehr-Seillängen-Routen. Hier stellt sich für sie die Frage: Wie und womit sichere ich in der Wand?

  • Sichere ich mit einem Halbautomaten (ich probier’s mal) oder mit HMS/Tuber, den ich nicht genau kenne?
  • Kann ich im Schlingen-/Hängestand mit Köpersicherung und Halbautomat dynamisch sichern?
  • Was passiert mit meinem Körper, wenn ich bei „Halbautomatensicherung“ aus dem Hängestand gerissen werde? (Versuche ergaben nicht sehr angenehme Situationen …)
  • „Halbautomaten-Sicherer“ mussten beim Halten eines Sturzes noch nie „zugreifen“. Würden Sie gerne von so jemandem mit HMS/Tuber gesichert werden?

 

Das Halten von Stürzen trainieren!

„Halbautomaten-Sicherer“ sollten sich also mit dieser Problematik beschäftigen und mit HMS/Tuber das Halten von Stürzen trainieren.

MMag. Alexis Zajetz, Naturfreunde-Bundesreferent für Sportklettern, empfiehlt: „Trainieren Sie das Sichern beim Stürzen! Viel wichtiger als die Art des Geräts ist es, dass Sie richtig sichern können. Gut sichern zu können heißt, neben dem obligatorischen Partnercheck vor allem Übung im Halten von Stürzen zu haben. Wenn man zehn Jahre keinen Sturz gehalten hat, fehlt einem die Erfahrung im Halten eines Sturzes. Von vielen Kursen weiß ich: Schon ein einziger gehaltener Sturz vertieft das Vertrauen enorm; das kann durch nichts ersetzt werden. Vertrauen kommt durch Erfahrung. Deswegen: Besuchen Sie einen Kurs der Naturfreunde Österreich, in dem das Halten von Stürzen geübt wird!“

 

Text: Ausbildungsteam der Naturfreunde Österreich - Hans-Peter Gärtner, Instruktor Sportklettern Breitensport, Gunnar Mertz, Instruktor Sportklettern Leistungssport, Alexis Zajetz, Bundesreferent Sportklettern, Instruktor Sportklettern Breitensport, Fotos: Bernhard Fiedler

Mit dem Partnercheck lassen sich sehr einfach grundlegende Fehler vermeiden.
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